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Stimmen zum Johannes-Zyklus von Sofia Gubaidulina

Die Uraufführung des Zyklus „Passion und Auferstehung Jesu Christi nach Johannes“ in der Hamburger St. Michaelis-Kirche am 16. März 2002 gehört zu den bedeutendsten Musikereignissen des laufenden Jahres. Restlos ausverkauft war das Konzert, das im Rahmen der NDR-Reihe „das neue werk“ veranstaltet wurde, und die Komponistin wurde mit „Standing Ovations“ enthusiastisch gefeiert.

Joachim Mischke kommentierte das Ereignis im Hamburger Abendblatt (18. März 2002) mit folgenden Worten:

„Religiös? Unbedingt. Kirchlich? Nein. Für die Komponistin Sofia Gubaidulina war schon ihre "Johannes-Passion", im Jahre 2000 beim Europäischen Bachfest in Stuttgart uraufgeführt, über derartige Kategorien erhaben. Auch die Fortsetzung, das "Johannes-Ostern", entzieht sich ins Individuelle.

Beide Teile setzen mit fast entwaffnender Naivität und episch vertonter Glaubensstärke auf musikalische Missionsarbeit und die beeindruckende Klang-Wirkung apokalyptischen Schreckens. An diesem Wochenende wurden erstmals beide Teile vom NDR-Sinfonieorchester im Hamburger Michel gespielt, dirigiert vom Widmungsträger Valery Gergiev und in Anwesenheit der weltbekannten Komponistin, die seit einigen Jahren in Appen bei Pinneberg zurückgezogen wohnt und arbeitet.

Ihrer Arbeitsweise treu bleibend, hatte Gubaidulina sich selbst mehrere Probleme auferlegt: Sie kombinierte nicht nur musikalisches Material in unterschiedlichste Schichten, horizontale wie vertikale, sondern verband zudem Textpassagen aus dem Johannes-Evangelium mit ergänzenden und kommentierenden Auszügen aus der Offenbarung des Johannes - ein Ausmaß an Vorab-Interpretation der biblischen Botschaften, das erstaunt, weil es erstaunen will.

Zwei Chöre aus Gergievs Heimatstadt St. Petersburg, ein vorzügliches Solisten-Quartett sowie das groß besetzte NDR-Sinfonieorchester mitsamt Chor waren vonnöten, um die gewünschten Effekte, und von denen gab es reichlich, zu erzielen. Wobei Effekte jedoch nicht mit plakativer Vertonung zu verwechseln wären - dieses mehrdimensional angelegte Glaubensbekenntnis trug eindeutig die Handschrift Gubaidulinas, bei der Schlichtheit immer weit von Einfachheit entfernt ist. Während in der Passion stark auf das erzählerische Moment der Leidensgeschichte Jesu gesetzt wurde, legte Gubaidulina im Ostern-Teil die Betonung auf noch komplexere Verschränkungen von Chorsätzen und Solisten. (...)

Dass diese Doppelpremiere mit eingebauter Uraufführung überhaupt zu Stande kam, ist wohl vor allem dem NDR (und dem Gastdirigenten) zu verdanken. Ersterer gab im Rahmen des Jubiläums seiner Konzertreihe "das neue werk" Geld und Infrastruktur für den Kompositionsauftrag des "Johannes-Ostern“ (...)

Mit Gergiev hatte Gubaidulina einen Massenbeweger, der geradezu ideal für diese kräftezehrende Aufgabe war: Wie unter Strom stehend, hielt er mehr als zwei Stunden lang die Spannung auf der Konzertempore, arbeitete Details aus den Tiefen des Klangraums heraus und genoss sichtlich die opulenten Akkordballungen. Herausragend aus dem Solistenquartett: der sensationell dröhnende, tiefschwarze und dennoch elegant geführte Bass von Genady Bezzubenkov. Das Werk endet, wie es beginnt: mit einer Lobpreisung des Herrn. Mit unterschütterlichem Gottvertrauen.“