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Alfred Schnittkes Neunte Sinfonie in einer Radio-Erstausstrahlung auf NDR Kultur

Die Uraufführung von Alfred Schnittkes Neunter Sinfonie am 16. Juni in der Dresdner Frauenkirche durch die Dresdner Philharmonie unter Leitung von Dennis Russel Davies war das Medienereignis der ausgehenden Saison vor der Sommerpause. Auf NDR Kultur (Reihe „Neue Musik“) wird am 11. Juli ab 20.50 Uhr die erste Rundfunkausstrahlung dieses bedeutenden Werkes zu hören sein, das Schnittke vor seinem Tod im Jahr 1998 komponiert hat. Fast zehn Jahre sind vergangen, bevor das mit zitternder Hand niedergeschriebene Partiturmanuskript in eine für eine Aufführung verwendbare Fassung gebracht werden konnte. In der NDR-Sendung wird der musikalische Leiter der Uraufführung Dennis Russel Davies persönlich Auskunft über seine Arbeit an der Neunten Sinfonie von Schnittke geben. Zu Gast sind außer ihm zwei Vertreter der Anfang Juni 2007 gegründeten Alfred Schnittke Gesellschaft e.V. Hamburg. Holger Lampson und Amadeus Templeton sind beide für das Musikseminar Hamburg tätig und geben Auskunft über die geplanten Aktivitäten der neu gegründeten Gesellschaft.

Alfred Schnittke schrieb seit 1969 Sinfonien. Seine fünfte Sinfonie nimmt in diesem Zyklus insofern eine Sonderstellung ein, als Schnittke damit eine Kreuzung mit einer zweiten bedeutsamen Werkserie, den Concerti grossi, unternahm und dieses Stück „Concerto grosso Nr. 4 / 5. Sinfonie“ betitelte. Die Neunte nun, in ihrer Zählung von jeher mit einem mystischen Anspruchsdenken vor allem vonseiten der jeweiligen Autoren selbst belastet, sollte den Komponisten kurz vor seinem Tod über Gebühr belasten und noch auf dem Sterbebett zu großer Erregung bringen. Nach seiner fragilen 8. Sinfonie, die am 10. November 1994 vom Royal Stockholm Philharmonic Orchestra unter der Leitung seines langjährigen Freundes, Vertrauten und wichtigen Dirigenten Gennadi Roschdestwenski zur Uraufführung gebracht worden war, versuchte sich der inzwischen rechtsseitig gelähmte Komponist kurz vor seinem Tod noch einmal dieser Gattung. Nachdem er drei Sätze in undeutlicher Schrift in groben Zügen zu Papier gebracht hatte, bot sich Roschdestwenski an, das Werk zu vollenden und im Juni 1998 in Moskau zur Uraufführung zu bringen. Der gut gemeinte Versuch erwies sich jedoch als unzureichend und sollte das Verhältnis des Dirigenten zur Familie Schnittke trüben. Wenige Tage vor seinem Tod äußerte Schnittke nach Abhören des Moskauer Konzertmitschnitts seine klare Ablehnung von Roschdestwenskis Version, die in höchstem Maße sinnentstellend ausgefallen war.

Am 3. August 1998 dann starb der Komponist, und seine Witwe Irina Schnittke betrachtete die Partitur fortan als eine Art Vermächtnis. Wiederholt bemühte sie sich darum, einen geeigneten Kollegen ihres Mannes zu finden, der die verantwortungsvolle Arbeit in Angriff nehmen konnte, die schwer lesbare Handschrift ihres kranken Mannes zu entziffern und – wo nötig – vorsichtig zu ergänzen bzw. zu korrigieren. Ein Komponist sollte dies sein, dem einst das Vertrauen ihres Mannes galt und der nicht den Anspruch erheben würde, etwas Eigenes daraus zu machen. Irina Schnittke fand diese Persönlichkeit in Nikolai Korndorf, der in den 90er Jahren nach Kanada ausgewandert war. Dieser machte sich rasch an die Arbeit, erlitt aber kurz darauf einen Gehirntumor. Korndorf wurde zunächst erfolgreich operiert und therapiert, brach dann jedoch am 30. Mai 2001 tot zusammen.

Erneut begann Irina Schnittkes Suche. Ihre Wahl fiel auf den 1953 geborenen Moskauer Alexander Raskatov, der inzwischen in Süddeutschland lebte. Raskatovs Einrichtung des Partiturmanuskriptes nun bildete die Grundlage für die Dresdner Uraufführung der letzten Schnittke-Sinfonie. Das Werk habe, so erzählt Raskatov, bereits rein visuell einen überaus starken Eindruck auf ihn ausgeübt. Es sei gleichsam eine Stimme aus dem Jenseits gewesen, ergänzt er, die Seiten hätten eine höchst signifikante Energie ausgestrahlt, sodass er sich längere Zeit sogar gefürchtet habe, sich extrem lange damit zu beschäftigen. Obwohl die dreisätzige Sinfonie in sich geschlossen ist, hat Alexander Raskatov bei der Arbeit den dringenden Wunsch empfunden, von sich aus einen vierten Satz hinzuzukomponieren. Entstanden ist eine Art Epilog zur Neunten Sinfonie, eine völlig eigenständige Komposition, die in Dresden ebenfalls uraufgeführt wurde und die auf NDR Kultur am 11. Juli ebenfalls zur Ausstrahlung gebracht wird.