25. Todestag von Mieczysław Weinberg

Die Zeiten, als der im Schatten Dmitri Schostakowitschs stehende Komponist Mieczysław Weinberg international noch weniger bekannt war, liegen lange hinter uns. Heute gibt es zahlreiche Neuinszenierungen vor allem der Weinberg-Opern „Das Portrait“, „Der Idiot“ oder „Lady Magnesia“. Aber auch Weinbergs Instrumental-musikschaffen erlebt eine wahre Renaissance. Allem voran das hinreißende Violinkonzert, die Streichquartette und die Klaviersonaten. Mit namhaften Interpreten hatte das CD-Label NEOS vor einigen Jahren eine umfangreiche „Weinberg Edition“ mit vielen Referenzaufnahmen begonnen, die immer weiter anwächst. Am 26. Februar 2021 gedenken wir des 25. Todestags von Mieczysław Weinberg.
Weinberg studierte zunächst in seiner Heimatstadt Warschau bei Józef Turczynski Klavier, bevor er 1939 vor der herannahenden Wehrmacht nach Weißrussland floh. Dort setzte er seine Studien am Minsker Konservatorium bei Wassili Solotarjow fort. 1941 musste er erneut fliehen und ließ sich in Taschkent nieder, bis ihn zwei Jahre später Dmitri Schostakowitsch nach Moskau einlud, wo er bis zu seinem Lebensende als Komponist und Pianist freischaffend tätig war. Als er 1953 fälschlicherweise beschuldigt wurde, die Idee einer jüdischen Republikgründung auf der Krim zu propagieren und aus diesem Grund inhaftiert wurde, setzte sich Schostakowitsch erfolgreich für seine Freilassung ein. Ähnlich wie bei Schostakowitsch besteht Weinbergs Werkverzeichnis in erster Linie aus einer Vielzahl von Orchesterkompositionen, darunter 22 Sinfonien, aus Kammermusik sowie Balletten und Opern. Zur Gattung Filmmusik trug Weinberg allein 60 Kompositionen bei. Unter dem Einfluss Dmitri Schsotakowittschs wandte er sich stilistisch einem expressiven Neoklassizismus zu und entwickelte vor diesem Hintergrund einen individuellen Personalstil.
Im Jahr 2015 wurde eine „Internationale Weinberg Gesellschaft“ mit Sitz in Augsburg gegründet. Sie wurde vor allem deshalb initiiert, um die Musik des 1996 gestorbenen Weinberg zu fördern und seinem Œuvre größere Aufmerksamkeit zu verschaffen. Zudem sollen Musiker ermutigt werden, Weinbergs Kompositionen aufzuführen und einem breiten Publikum bekannt zu machen. In der Witwe von Dmitri Schostakowitsch, Irina Schostakowitsch, hat die Gesellschaft eine prominente Ehrenpräsidentin. Das Bestreben der Internationalen Weinberg Gesellschaft ist erklärtermaßen, Konzerte, Vorträge, Ausstellungen und multidisziplinäre Veranstaltungen zu organisieren, die sich auf Weinbergs musikalisches Schaffen, seine enge Verbindung zu Schostakowitsch und seine Bedeutung für die Musik des 20. Jahrhunderts konzentrieren. Ziel ist es, finanzielle Mittel zu Aufnahmen seiner Musik und der Publikation und Übersetzung von Artikeln und Büchern über sein Leben zur Verfügung zu stellen.
Konzert für Violine und Orchester op. 67
Am 2. November 2014 kam es in Karlsruhe zur deutschen Erstaufführung von Mieczysław Weinbergs Konzert für Violine und Orchester aus dem Jahr 1959. Der Solist war Linus Roth, Mei-Ann Chen leitete die Badische Staatskapelle Karlsruhe. Weinbergs Violinkonzert zählt auch zu den erklärten Lieblingsstücken des Stargeigers Gidon Kremer. Inzwischen zählt es zu den meistaufgeführten Werken Weinbergs und liegt bereits in mehreren CD-Einspielungen vor..
Konzert für Trompete und Orchester op. 94
Ein überaus reizvolles Instrumentalkonzert von Weinberg ist auch das Trompetenkonzert op. 94 aus dem Jahr 1967. Nach der österreichischen Erstauf-führung des Werkes am 15. August 2010 durch den Trompeter Jürgen Ellensohn und die Wiener Symphoniker unter Leitung von Gérard Korsten erfreute sich das Werk international immer größerer Beachtung. Trompetenvirtuosen wie Hakan Hardenberger, Sergei Nakariakov oder Tine Thing Helset haben es in ihrem Repertoire.
Konzert für Klarinette und Streichorchester op. 104
Der Solist Nikolaus Friedrich (Klarinette) und das Neuenheimer Kammerorchester brachten am 17. März 2012 Mieczysław Weinbergs Konzert für Klarinette und Streichorchester in Heidelberg zur deutschen Erstaufführung. Weinbergs Konzert für Klarinette und Streichorchester op. 104 entstand im Jahre 1970. Die Affinität des Komponisten zur Klarinette zeigte sich schon 1945 in seiner Sonate für Klarinette und Klavier op. 28 und in der kurz vor seinem Tod entstandenen 4. Kammersinfonie op. 153 aus dem Jahr 1992.
Streichquartette
Mit seiner Gesamteinspielung aller fünfzehn Streichquartette von Dmitri Schostakowitsch hatte das Quatuor Danel bereits Zuhörer und Kritiker begeistert. Danach hat sich das renommierte Ensemble einem weiteren diskografischen Großprojekt zugewandt: den Streichquartetten des polnisch-russischen Komponisten Mieczysław Weinberg. Die in Brüssel lebenden französischen Musiker nahmen alle 17 Streichquartette Weinbergs für das Label cpo auf..
Sinfonietta und Sinfonien
Die ca. 20 Minuten Spieldauer umfassende Sinfonietta Nr. 1 op. 48 für Orchester entstand drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Philharmonische Orchester Kiew brachte das Werk am 13. November 1948 in Kiew unter der Leitung von Nathan Rachlin zur Uraufführung. Die vier Sätze des Werkes sind „Frisch und entschlossen“, „Langsam und singend“, „Munter“ sowie „Sehr schnell, freudig“ überschrieben.
Die Sinfonien von Mieczysław Weinberg sind, von ihren jeweiligen musikalischen Charakteren abgesehen, formal und mit Blick auf die Besetzungen sehr unterschiedlich. In seiner Sinfonie Nr. 6 op. 79 aus dem Jahr 1963 wählte Weinberg sogar eine vokale Erweiterung. Besetzt ist neben dem Orchester auch ein Knabenchor. Die Sinfonie Nr. 10 für Streichorchester op. 98 aus dem Jahr 1968 mit den Sätzen Concerto grosso, Pastorale, Canzona, Burlesca und Inversione wurde für das Moskauer Kammerorchester geschrieben, welches das Werk am 8. Dezember 1968 im Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium zur Uraufführung brachte. Nachdem diese Sinfonie jahrzehntelang unbeachtet blieb, erlebte sie 2016 innerhalb eines Jahres ihre deutsche, schweizerische und französische Erstaufführung, vornehmlich durch das Chamber Orchestra of Europe. Die 10. Sinfonie zählt mittlerweile zu den beliebtesten Sinfonien Weinbergs.
Seine 12. Sinfonie op. 114 aus dem Jahr 1976 widmete Mieczysław Weinberg seinem Freund und Mentor, dem ein Jahr zuvor gestorbenen Dmitri Schostakowitsch. Die Sinfonie Nr. 14 op. 117 aus dem Jahr 1978 ist einsätzig angelegt, introvertiert und abstrakt, möglicherweise in einer Orientierungskrise entstanden, wie der britische Weinberg-Biograf David Fanning vermutet.
„Der Idiot“.
Oper in vier Akten nach dem gleichnamigen Roman von Fjodor Dostojewski
Die Opern von Mieczysław Weinberg finden bei einem breiten Publikum ein immer größeres Interesse und werden auf vielen Bühnen der Welt in den Spielplan genommen. So kam am Nationaltheater Mannheim am 9. Mai 2013 die Oper „Der Idiot“ von Weinberg in der russischen Originalfassung unter Leitung von Thomas Sanderling und in der Regie von Regula Gerber zur Uraufführung. Diese erhielt später von der Fachzeitschrift „Opernwelt“ die Auszeichnung „Uraufführung des Jahres“.
Die Oper beruht auf dem berühmten gleichnamigen Roman von Fjodor Dostojewski. Erzählt wird die Leidensgeschichte des unsterblich in die schöne Nastassja verliebten und psychisch hoch labilen Fürsten Myschkin, der den hinhaltenden Versprechungen der Angebetenen schutzlos ausgeliefert ist. Nastassja ist jedoch mit dem Kaufmann Rogoschin verbunden. Myschkin geht zunächst eine Liason mit Aglaja ein, die Myschkins Liebe zu Nastassja erkennt und ihn freigibt. Der eifersüchtige Rogoschin aber tötet Nastassja, worüber Myschkin am Ende den Verstand verliert. Das Werk ist Dmitri Schostakowitsch gewidmet.
Am 12. Februar 2017 brachte auch das Bolschoi Theater Moskau die Originalfassung der Oper „Der Idiot“ heraus. Anlässlich dieser Premiere riefen die Musikwissenschaftler und Publizisten Andrej Ustinow, Alexander Laskowski und Jekaterina Kljutschnikowa zu einer internationalen Weinberg-Konferenz auf, die vom 16. bis 19. Februar 2017 in den Räumen des Bolschoi-Theaters und des Staatlichen Russi-chen Kunstwissenschaftlichen Instituts stattfand.
„Das Portrait“.
Oper in 3 Akten nach der gleichnamigen Novelle von Nikolai Gogol
Wie immer verbinden sich in den Novellen und Erzählungen Nikolai Gogols, der so viele Anregungen von den fantastischen Erzählungen E.T.A. Hoffmanns adaptierte hatte, Traum und Wirklichkeit. In seiner Oper „Das Portrait“ nahm Mieczysław Weinberg eine dieser Gogol-Erzählungen zur Vorlage.
Während eines ernsten Gesprächs auf der Petersburger Kalinkin-Brücke wird der junge Maler Tschartkow von seinem Lehrer eindringlich ermahnt, sich nicht mit anspruchsloser Malerei für einen schnellen Erfolg zu verkaufen. Nachdem er gedankenverloren das Zwanzigkopekenstück, das seine gesamte Barschaft darstellt, betrachtet hat, macht sich Tschartkow auf den Weg nach Hause. Auf der anderen Brückenseite erscheint ihm ein wunderschönes Mädchen, das ihn an die von ihm gemalte „Psyche“ erinnert. Für sein letztes Geld erwirbt der arme Maler bei einem Gemäldehändler das meisterhafte Portrait eines alten Mannes. Das Bild ist kaum erworben, als Tschartkow auch schon den unvernünftigen Kauf bereut. Er bringt das Bild in sein ärmliches Atelier und hängt es an die Wand. Im Traum erlebt er, wie der Greis aus seiner Leinwand tritt und wie auch die „Psyche“ lebendig wird. Diese entzieht sich dem begehrlichen Alten und verschwindet wieder in ihrem Bild. Bevor auch der alte Mann wieder in sein Gemälde klettert, hinterlässt er auf dem Fußboden eine Anzahl glänzender Münzen, die den Maler plötzlich zu einem reichen Mann machen ...
Seit ihrer Wiederentdeckung bei den Bregenzer Festspielen 2010 wurde die Oper „Das Portrait“ bisher am Pfalztheater Kaiserslautern, an der Opéra National de Lorraine in Nancy sowie am Teatr Wielki Poznán inszeniert.
„Lady Magnesia“.
Oper in 1 Akt nach dem Theaterstück “Passion, Poison and Petrification” von Bernard Shaw
Mieczysław Weinbergs Oper „Lady Magnesia“ beruht auf Bernard Shaws Theaterstück „Passion, Poison and Petrification“. Der Einakter erlebte seine konzertante Uraufführung 2009 beim ersten internationalen Weinberg-Festival in Liverpool.Am 2. Februar 2012 kam das 1975 entstandene Werk in einer deutschsprachigen Adaption von Hans-Ulrich Duffek zur szenischen Uraufführung und deutschen Erstaufführung am Theater Erfurt. Die musikalische Leitung übernahm Samuel Bächli. Weitere Aufführungen folgten am Salzburger Mozarteum und durch das Jewish Chamber Orchestra in München.
Die skurrile Geschichte der Oper „Lady Magnesia“ fußt auf einer Komödienvorlage Bernard Shaws. Der eifersüchtige Sir George Fitztollemache beschließt, seine Gattin umzubringen, deren Herz an den Lakaien Adolphus Bastable vergeben scheint. Ein nächtliches Treffen der Eheleute verändert die Situation jedoch. Adolphus wird Opfer eines Giftanschlags des Hausherrn. Durch die Einnahme eines aus Gips bestehenden angeblichen Gegengiftes ist der Hausfreund schließlich im Tod zu seinem eigenen Standbild versteinert. Pietätvoll richten Sir und Lady Fitztollemache Adolphus’ Statue auf, die in gleichsam segnender Gebärde die Arme über die Eheleute ausbreitet.
„Wir gratulieren!“.
Oper in 2 Akten nach dem Theaterstück „Mazl tov“ von Scholem Alejchem
Die hintergründig-heitere Oper „Wir gratulieren!“ von Mieczysław Weinberg entstand in den Jahren 1975 bis 1982. Die Handlung spielt im Haushalt einer reichen jüdischen Dame im Odessa der vorletzten Jahrhundertwende. Die junge Belja ist in der Küche damit beschäftigt, ein festliches Abendessen vorzubereiten, denn die Verlobung der Tochter des Hauses steht bevor. Die verwitwete Köchin beklagt ihre mühsame Arbeit und ihr einsames Leben ohne Mann. Der Buchverleiher erscheint mit neuen Büchern, und Belja gibt ihm zu essen und zu trinken. Während dieser tüchtig zulangt, vertraut ihm die Köchin den neuesten Klatsch über ihre Herrschaft an. Der Buchhändler wird mit jedem Glas, das er leert, redseliger und forscher: Erst preist er seine sozialistischen Bücher an, kurz darauf schlägt er Belja vor, angesichts ihres Ersparten mit ihm eine Kapitalgemeinschaft zu gründen. Chaim, der Diener des Nachbarn, kommt dazu und fängt an, über seine Herrschaft zu lästern. Schließlich erscheint auch das Dienstmädchen Fradl, ein lustiges Liedchen auf den Lippen, in der Küche. Chaim, der sich zunächst vor ihr versteckt hatte, kommt hervor und beginnt heftig mit dem Dienstmädchen zu flirten. Ein ausgelassenes Feiern und Trinken beginnt, und als die Stimmung ihren Höhepunkt erreicht, beschließen Belja und der Buchverleiher, ihren Dienst zu quittieren und sich zu verloben. Hochgestimmt liest der Buchverleiher besonders schöne Stellen aus seinen mitgebrachten Büchern vor. Angeregt vom Liebesglück der Frischverlobten schlägt Chaim einen Polterabend vor und wendet sich dann spontan mit einem Heiratsantrag an Fradl, den diese nach anfänglichem Sträuben schließlich annimmt. Als die Hausherrin auftaucht und dem freudigen Singen und Scherzen Einhalt gebieten will, probt das Küchenpersonal den Aufstand ...
Zuletzt erlebte „Wir gratulieren!“ eine höchst erfolgreiche Produktion am Theater Heidelberg (Prem. 27. Mai 2017). Hierbei wurde die Oper erstmals außerhalb Russ-lands in ihrer Originalfassung und in russischer Sprache präsentiert, nachdem die deutsche Erstaufführung am Konzerthaus Berlin im September 2012 mit einer reduzierten Besetzung dargeboten wurde. Diese Berliner Produktion erschien kürzlich bei Oehms Classics auf CD.
26.02.2021
25. Todestag
Mieczyslaw Weinberg (08.12.1919 – 26.02.1996)
- Opern „Der Idiot”, „Lady Magnesia“, „Das Porträt“
- Sinfonien Nr. 6, 10, 12, 14
- Konzert für Violine und Orchester
- Fantasie für Violoncello und Orchester
- Streichquartette Nr. 13-15